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Daran wird noch gearbeitet

Hausnamen

Salpeterer

In der Reihe der Unlinger Hausnamen gibt es die Hausbezeichnung „Salpeters“. Der Hausname gehört zum Haus ….

Dieser Name leitet sich vom Gewerbe der Salpetergewinnung her. Die Gewerbetreibenden holten in den Häusern und Hofstätten das notwendige Rohmaterial und produzierten durch Sieden einen wichtigen Rohstoff. Für das Graben und Einsammeln war in Unlingen ein österreichisches Patent nötig.

Quelle: Sonntagsfreude, Beilage Schwäbische Zeitung, 1955
(Siehe Verzeichnis Schriften von Pfr. Selig)


Die Erlaubnis für dieses Gewerbe hatte in Unlingen die Familie Kob. Der aus Saulgau stammende Kaiserl. Königl. Salpetersiederer Johannes Bauknecht heiratete im Jahr 1722 Maria Kob aus Unlingen. Ihr Sohn Franz Josef Bauknecht wurde ein bedeutender Salpeterer, der mit seinen Gehilfen auch in vielen anderen Orten der Gegend tätig war. 1797 übergab er das Geschäft an seinen Sohn Franz Xaver Bauknecht mitsamt Haus, Scheuer, Garten, Gemeindegerechtigkeit und die „Salpeter-Platz-Hütte“ mit allem Salpeterergeschirr. In der vierten Generation ging das Gewerbe an Franz Josef Bauknecht weiter. Er war der letzte Salpetersieder in Unlingen.
Als Gehilfe arbeitete für den letzten Unlinger Salpeter der ledige Meinrad, der im Dorf in Ställen und Gruben das Rohmaterial für das Salpetersieden ausgrub und mit einer Bütte auf dem Rücken in die Werkstatt trug. Beide, Gehilfe und Meister Franz Josef, verstarben im Jahr 1855. Meinrad war der erste Verstorbene, der nicht mehr beim Begräbnisplatz neben der Kirche, sondern auf dem neuen Friedhof an der Daugendorfer Straße begraben wurde.



Das Handwerk der Salpeterer
Die Salpeterer gewannen über Jahrhunderte den einzigen Stoff, der vergleichsweise harmlose brennbare Substanzen wie Holzkohle und Schwefel in gefährliche Explosivstoffe und Treibladungen verwandelte. Sie sammelten den mikrobiell aus tierischen Exkrementen und Boden- bzw. Mauerkalk entstandenen Salpetergrundstoff, um ihn mit Pottasche in schießpulvertauglichen Kalisalpeter zu verwandeln. Erst Salpeter macht aus brennbaren Stoffen wie Schwefel und Holzkohle ein explosives Gemisch und er war bis ins 19. Jahrhundert die einzige gängige und verfügbare Substanz, die dies vermochte. Abnehmer waren vor allem die Pulvermühlen, die daraus unter Zusatz von Holzkohle und Schwefel das Schwarzpulver herstellten.
Die Salpeterer waren ständig auf der Suche nach fäkalen Grundstoffen der Salpeterbildung in Ställen, Dunglegen, Faulgruben und an Wänden. Denn hier zersetzten sich die eiweiß-, harnstoff- bzw. ammoniumhaltigen tierischen Produkte und Exkremente langsam zu Nitrat bzw. Salpetersäure.

Aufwändige handwerkliche Arbeitsgänge sind nötig, um aus einem Gemenge den heiß begehrten Stoff möglichst rein zu gewinnen.
Von den Stallwänden musste man die weißen Salpeterkristalle abkratzen, und nach salpeterhaltiger Erde, vor allem unter den Stallböden, graben. Der zusammengetragene und noch stark verunreinigte Kalksalpeter wurde dabei zuerst mit Buchenasche, die Pottasche enthält, vermischt. In einem Auslaugkübel wurde die Mischung mit Wasser versetzt und damit ausgelaugt; dabei wandelt sich der Kalksalpeter mit der Pottasche zu Kalisalpeter um. Nach 12-stündigem Auslaugen wird die Kalisalpeterlauge abgelassen und in einen zweiten gefüllten Auslaugkübel geschüttet, wo sie sich weiter konzentriert. Im Siedekessel wird die Lauge dann weiter eingedampft, wobei über ein Laugenfässchen ständig weitere Lauge hinzu läuft. Durch Zusatz von Tierblut werden die Verunreinigungen ausgefällt und in ein Sieb über dem Kessel abgeschöpft. Wenn die Lauge hochkonzentriert ist, wird sie in Absetzbecken gegeben, in denen durch Abkühlung der Salpeter langsam auskristallisiert. Der so gewonnene Kalisalpeter wurde durch nochmaliges Sieden weiter gereinigt und schließlich als weißes Pulver in Fässer abgefüllt.

Ab 1820 importierte man Salpeter viel billiger und in ungleich größeren Mengen aus Chile, wo er in der Atacamawüste als Natronsalpeter im Tagebau gewonnen wurde.
Mit der Einfuhr von Chilesalpeter ab 1820 fand das alte Handwerk des Salpeterers nach und nach sein Ende; es wurde überflüssig und bald vergessen.
Längst hat auch der natürliche Chile- oder Natronsalpeter keine wirtschaftliche Bedeutung mehr. Seit der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens wird der Luftstickstoff großtechnisch durch chemische Verfahren zu Ammoniak gebunden, um dann zu Salpetersäure oxidiert und zu Kaliumnitrat (Kalisalpeter) umgesetzt zu werden.

Chemische Reaktionen liefern den Salpetergrundstoff
Die heutige Bezeichnungen Kalisalpeter ist Kaliumnitrat, mit der chemischen Formel KNO3.
Der Stickstoff aus dem tierischen Eiweiß bzw. den Aminosäuren (-CO-NH-) oder dem Harnstoff zersetzt sich zuerst zu Ammoniumsalz bzw. Ammoniak (NH4+ bzw. NH3). Ammoniumoxidierende Bodenbakterien bewirken dann die folgende Oxidation des Stickstoffs zu Salpetriger Säure (Nitrit) und Salpetersäure (Nitrat).
Die Harnstoffe der tierischen Ausscheidungen reagieren mit dem Kalk der Stallwand und bilden dann den Mauersalpeter (Calciumnitrat). Dies führt zu den als Salpeter- oder Mauerfraß gefürchteten Ausblühungen.




 

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