Überschrift 1
„daß wir Bey Einer so Erbermlichen Zeit haben Leben missen“
Die beiden Unlinger Gemeindeschreiber Kob und Krauß beschreiben die Verhältnisse des Dorfes um 1800 einprägsam so:
„Man sey endlich ganz überdrißig und deß Lebenß satt“.
An dieses elende Vierteljahrhundert mittels den Aufzeichnungen der Dorfchronisten zu erinnern, ist Ziel dieses dreiteiligen Berichts.

Unlinger Dorfansicht vor zweihundert Jahren, zu Beginn des 19. Jahrhundert
Wir haben meist ein unzutreffendes Bild im Kopf, wenn wir ein Dorfbild aus der „guten alten Zeit“ betrachten. Das Dorf liegt idyllisch inmitten der Natur mit Feldern, Wald und Bach. So ein Dorf scheint Unlingen auf der Zeichnung von 1803 zu sein. Ein friedliches Haufendorf vor dem Bussen, mit Kirche und Kloster im Mittelpunkt, das Getreidefeld ist abgeerntet, zwei Männer fischen in der Kanzach. Das friedliche Bild trügt. Es zeigt zwar eine beeindruckende Klosteranlage, doch ist das Frauenkloster nur mehr mehr Fassade. Im Klostergebäude gibt es kein echtes Klosterleben mehr, so wie es über dreihundert Jahre lang der Fall war. Schon 1782 wurde es nach dem Willen des österreichischen Kaisers aufgelöst.
Die circa neunhundert Einwohner erlebten zur damaligen Jahrhundertwende über zwei Jahrzehnte lang keine friedlichen Zeiten. Krieg und Hunger bestimmten den Alltag. Die Unlinger Chronisten Kob und Krauß halten in ihren Aufzeichnungen über ihr damaliges Dorfleben fest:„daß wir Bey Einer so Erbermlichen Zeit haben Leben missen“Denn mit der französischen Revolution von 1789 begann für ganz Europa eine Umbruchzeit, die auch für unser Dorf wirklich erbärmliche Zeiten bringen sollte. In Paris herrschte Chaos, bald wurde die Republik ausgerufen und der König hingerichtet. Im fernen Unlingen notieren die Chronisten zu den revolutionären Vorgängen in Frankreich:„Ist in Frankreich einen Krieg entstanden von Seiten dem gemeinen Bebel und sind alle Botentaten wider ihn aufgestanden.“ (KKChronik S 8) Der kaiserliche, österreichische Monarch in Wien fühlt sich von den revolutionären Umtrieben bedroht, schließt sich mit anderen Herrschern zusammen, verkündet die Absicht mit Waffengewalt die Rechte des französischen Königs wieder herzustellen.
Nach erfolgter Kriegserklärung durch Frankreich an den österreichischen Kaiser wird das kleine vorderösterreichische Dorf Unlingen in die Auseinandersetzungen mit einbezogen. An einer gut ausgebauten Landstraße gelegen, einer wichtigen Verbindung Frankreich zu, muss das Dorf ein Vierteljahrhundert lang vermehrt Durchmärsche und Einquartierungen hinnehmen. Zwar finden Schlachten nicht auf der Gemarkung statt, sondern bei Ulm, Biberach, Stockach, Ostrach, doch wird das herkömmliche, immer schon mühselige Dorfleben extrem belastet und die Gemeinde verarmt und verschuldet sich. Die Gemeindeschreiber Kob und Krauß beschreiben ihre Situation einprägsam so:„Man sey endlich ganz überdrißig und deß Lebenß satt“.