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Vor dreihundert Jahren entsteht unsere jetzige Pfarrkirche:
Sie wurde zweimal gebaut


Eine Tafel am Haupteingang der Pfarrkirche informiert:
1711 geringfügige Reparaturen
1719 umfangreicher Umbau

Die alte Pfarrkirche

Die ursprüngliche, kleinere Pfarrkirche, über deren Größe und Aussehen man nur wenige Angaben machen kann, hatte ihren Standort an derselben Stelle, wo auch die heutige Pfarrkirche steht, unmittelbar neben den Klostergebäuden, die 1668-69 erbaut wurden.
Die Klosterfrauen hatten von ihren Klosterräumen auseinen direkten Zugang zur Pfarrkirche. Man kann davon ausgehen, dass das alte Kirchengebäude im 30jährigen Krieg (1618-1648 ) zumindest im Inneren schwer beschädigt wurde. Es wurde laut den Angaben der Klostervorsteherin Anna Johanna Hermanutz zwei Mal geplündert.

>>>> Link zu Klag- und Trauerrede von AJH


In der alten Pfarrkirche stand seit der Reformation (um 1535) eine dem Kloster gehörenden Marien-Statue. Sie wurde auf eine Säule gestellt und war als „Mutter Gottes auf der Saul“ das Ziel vieler Betenden und Hilfesuchenden (Marktflecken Unlingen Seite 115). Trotz der Plünderungen blieb sie uns erhalten. Um das Jahr 1713 kam das Gnadenbild wegen der Baumaßnahmen in die Klosterkapelle (siehe Chronik Unlingen 1713).

Philipp Renlin zeichnete 1589 eine Landtafel des oberen Donaugebietes, eine Art Landkarte. In dieser aquarellierten Federzeichnung ist der Bussen, die Kanzach und Donau und Wälder eindrucksvoll wiedergegeben. Einen besonderen Wert legte Renlin auf die Zeichnung der Siedlungen, die er auffällig groß gestaltet hat, wobei man davon ausgehen kann, dass er nicht nur die Bussenkirche und die Burganlage sondern auch die wichtigen Bauten der Dörfer und Städte relativ getreu dargestellt hat. Deswegen ist dieses Dokument als Vorläufer einer Landkarte für seine Zeit einzigartig. Der Unlinger Kirchturm hat ein markantes Aussehen.

Die zwei Mal errichtete heutige Pfarrkirche

Seit 1709 war Johann Christoph Muscart (Muschgardt) Pfarrer in Unlingen. Während seiner Amtszeit wurden die auf der Infotafel erwähnten Reparaturen und Umbauten an der Pfarrkirche vorgenommen. Belegt dazu ist laut den Forschungen von Th. Selig in den Akten nur wenig:
Die Kirchengemeinde hat Bauholz gekauft, von der Kirchengemeinde wurde ein Kredit von 1000 Gulden aufgenommen, im Jahr 1713 hat die Kirchengemeinde an das Kloster für 6180 Gulden Kirchengüter verkauft hat (Marktflecken Unlingen Seite 116).

Was ist mit den Geldern gemacht wurde, ist nicht bekannt. Th. Selig kommt in der Zeit noch vor der Veröffentlichung des Heimatbuches im Jahr 1930 mangels direkten Nachweisen zur Vermutung:
„Aber dennoch kommt ein Um- oder Neubau für jene Zeit kaum in Frage. Es handelte sich offenbar nur um eine ungenügende Reparatur“ (MU Seite 116).

Diese Einschätzung hat er später korrigiert, als 1937 auf ein weiteres Dokument im Pfarrarchiv gestoßen ist.

In der Ortschronik Unlingen von Kob und Kraus, die sie im Jahr 1790 zu schreiben beginnen, ist der Hinweis zu entnehmen, dass 1711-1712 mehr als eine Reparatur erfolgte. Auf Seite 1 steht unter dem Abschnitt Anno 1713:
„Nach Erbauung der Kirchen hatte eine löbl. Gemeind ein eigentümblich Glecklein in dem Turm gehengen gehabt.“

In der Gemeinde war man mit den Bauarbeiten nicht zufrieden. „Im Dezember 1718 klagte ein Gemeindeausschuss, dass die Pfarrkirche in einem so miserablen Zustand sei, dass sie einzustürzen drohe; die Leute seien so verzagt, dass sie den Kirchenbesuch unterlassen“ (MU Seite 116)

Wörtlicher Auszug aus dem Dürmentinger Oberamts-Protokoll 1718-1720, erstellt von Pfr. Th. Selig (niedergeschrieben in seiner Chronik von Unlingen Seite 82).

Actum Dürmentingen 13. Dezember 1718, Seite 175
„ Die Gemeinde Ohnlingen erscheint durch einen Ausschuss dato, benamentlich den Ammann Christoph Schwarz, Georg Harsch Unterammann,Georg Hermanutz Gemeindepfleger, Hans Georg Schönle, Johann Rettich, Johann Brandiger und Hans Georg Moosbrugger, und bringen gehorsamst vor und an, dass nach dem letzthin die Kirche daselbst in solchen miserablen Stand geraten, dass solche ehestens totaliter zu zerfallen in Gefahr stehete, wodurch die Leute soweit verzaget worden, dass sie solche zu frequentieren unterließen, täten also gehors. um obrigkeitliche Assistenz und Rat, da nun jetzt zur Zeit mit Bauen nichts zu effektuieren wäre, also hat man für gut befunden, einen erfahrenen unparteiischen Maurermeister, und zwar diesen, so dato das Gotteshaus Weingarten bauet, zu requirieren, damit dieser als ein erfahrener in dieser Sache einen Augenschein mit einnehmen, und wie die Retollierung der Kirche zu befördern sein möchte, an die Hand geben solle, welches dann der Ausschuss über sich genommen, und den benannten Maurermeister anhero zu begehren, jedoch auf ihro der Gemeind und des Heiligen gemeinsame Kosten, versprochen haben.“

Erst im Jahr 1937, also nach dem Erscheinen seines Unlinger Heimatbuches, kam durch ein einziges Dokument aus dem Pfarrarchiv ein wenig Licht in die Angelegenheit. Leider ist das Dokument nicht mehr auffindbar. So bleibt allein die Notiz darüber, die von Pfr. Selig angefertigt wurde, nachdem er einen Vertrag zu Baumaßnahmen gefunden und übertragen hat. Die Notiz findet sich in einer Sammlung maschinengeschriebener Blätter, die einen Nachtrag zu seiner Chronik von Unlingen bilden. Er schreibt:

„1719 einige Aufklärung über das Bauwesen von 1719 brachte ein erst später in der Pfarrregistratur Unlingen aufgefundener Vertrag vom 11. März 1719. Darin ist zur Einleitung gesagt, dass die Kirche in einem so deplorablen und baufälligen Zustand verfallen sei, dass die inwendigen von Gemälden und Gips gemachten Zierden und das Gewölbe in kurzer Zeit zum unersetzlichen Schaden der Kirche und Untertanen corruieren und zum Steinhaufen verfallen könnte. Ein durch einen unparteiischen Bau- und Zimmermeister in Gegenwart des Dekans von Stadion und des Kanzleiverwalters von Dürmentingen vorgenommener Augenschein ergab, dass sich starke Risse und Brüche zeigen und die Seitenmauer gegen das Kloster zu 7 Zoll hinauswärts gewichen war und dass das zerrittene Steingewölbe für die Seitenmauern allzu schwer war. So schlossen Dekan Gutknecht, Kanzleiverwalter Sigm.Sengen und Pfarrer Muschgardt mit dem berühmten Maurer- und Baumeister Johann Georg Widmann von Ehingen am 11.3.1719 einen Vertrag. Der Meister muss das baufällige Gewölbe abtragen und ein neues Gewölbe von Quadrodor-Arbeit von Holz und Latten aufrichten, den Dachstuhl wieder aufrichten, die Seitenmauer gegen das Kloster soweit schadhaft, abbrechen und frisch aufführen, das ganze Gebäude in solchen Stand setzen, dass es ein Meisterwerk sei. Der Meister liefert auch Materialien und zahlt Löhne aus. Die Parochianen übernehmen das Fronen. Widmann erhält 800 Gulden und zwölf Spezies Dukaten Trinkgeld. Es würde sonst 1000 Taler kosten, aber er begnügt sich mit 800 Gulden, weil sein Bruder bei ehevoriger Kirchengebäudeausführung nicht allzu sorgsam gehandelt hat (Offenbar 1711 und 1712, daher das Maleur!) Der Pfarrer gab ex propriis dazu 200 Gulden.“




Aus dem Vertrag geht somit klar hervor, dass wieder ein neuer Kirchenbau, ein zweiter, notwendig wurde.
Demnach war zwar 1711-12 ein Kirchenbau geplant und auch ausgeführt worden. Baumeister Widmann aus Ehingen, dem der Bau im Jahr 1712 übertragen wurde, hat „nicht allzu sorgsam gehandelt“. Die Maßnahme war so mangelhaft, dass der damalige Bau nicht standhielt. 1719 musste der Dachstuhl mitsamt dem Deckengewölbe abgetragen werden. Ebenso musste zumindest die bei dem Kloster stehende Seitenwand neu aufgebaut werden. Wirklich mehr als eine erhebliche Umbaumaßnahme:
Das Pfarrkirchengebäude, wie wir es kennen, ist so vor dreihundert Jahren zwei Mal erbaut worden.

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