Caritasverein
Träger der Schwesternstationen mit Kindergarten, Krankenpflegestation und Nähschule
13.8.2010
Im November 1897 wurde in Köln der „Caritasverband für das katholische Deutschland“ gegründet. Gemäß der Satzung wurde der Deutsche Caritasverbandes ins Leben gerufen, um in einer Organisation die Zusammenfassung aller Werke der tätigen Nächstenliebe zu ermöglichen. In Unlingen wurde dieses Vorhaben, Maßnahmen christlicher Nächstenliebe innerhalb eines organisatorischen Rahmens zu unterstützen, mit der Gründung eines Vereins verwirklicht. In vier caritative Bereichen waren gliederte sich das Wirkungsfeld. Der Verein war Träger der Krankenpflege, des Kindergarten, der Nähschule und engagierte sich als Wohltätigkeitsverein.
Der Unlinger Caritasverein wurde am 11. Januar 1920 laut Satzung gegründet, um
„die Werke der christlichen Nächstenliebe in Unlingen planmäßig zu fördern und ein geordnetes Zusammenwirken aller auf caritativem Gebiet tätigen Kräfte herbeizuführen, insbesondere eine Station für Privatkrankenpflege, eine Kleinkinderschule und eine freiwillige Handarbeitsschule zu unterhalten.“
Die Eintragung ins Vereinsregister erfolgte am 19.02.1920. (Ordner M98 Sozialstation, Pfarrbüro)
Als Gründungsmitglieder haben am 11.1.1920 die Satzung beschlossen:
Kaplan Pfleghar, Schultheiß Friedrich Kocher, Frau Scherrbacher, Friedrich Ege, Hygin Selig, Georg Bauknecht, Carl Moll, Maria Kreutzer, Anna List, Johann Baptist Pfaff, Felix Bauknecht, Karl Schmid, Felix Schmid, Paul Schmid, Theodor Schönle, Anton Mayer, Gaupp Josef, Alois...., Eugen Assfalg, Konrad Schmid.
Der erste Vorsitzende des Caritasvereins war Kaplan Pfleghar. Im Jahr 1924 übernahm Pfarrer Nagel von ihm den Vorsitz.
Der Verein wurde Träger einer Schwesternstation mit Franziskanerinnen des Klosters Reute. Unlingen war eine der vielen Gemeinden in denen sie tätig waren. Im Jahr 1926 unterhielten die Franziskanerinnen vom Kloster Reute 182 Krankenpflegestationen und 147 Kindergärten.
Eine kurze statistische Aufsummierung aus ihrer Arbeit lässt erahnen, wie notwendig ihre caritative Arbeit in unserem Dorf war.
Caritasarbeit der Schwestern aus Reute
Jahr 1937 1938 1940 1941
Schwestern 3 3 3
Mitgliederzahl 171 174 173 160
Kindergartenkinder 30 45 54 70
Kranke verpflegt 259 220 230 159
Krankenbesuche 3656 2636 2068 1146
Nachtwachen 22 21 31 76
Allein der Arbeitseinsatzes der Krankenschwester zeigt deutlich, wie viel Segen von der Schwesternstation ausging. Daher ist auch verständlich, dass in jeder Generalversammlung des Caritasvereins die Arbeit der Schwestern gewürdigt und der Vorsitzende extra beauftragt wurde, persönlich den Dank auszusprechen.
Über ein halbes Jahrhundert hinweg hinweg konnte der Verein seiner Aufgabenstellung gerecht werden. Er überdauerte das Ende der Weimarer Republik, das Dritte Reich und die Nachkriegszeit. Es war genügend Bedarf vorhanden für seine unterstützenden Leistungen. In den 70er Jahren kündigten sich familiäre Veränderungen an. Großfamilien mit mehreren Generationen unter einem Dach sind Ausnahme geworden, beide Elternteile gehen einer Erwerbsarbeit nach, die Zahl der Kinder ist deutlich reduziert. Pflegebedürftige Menschen können von den Familien immer weniger zu Hause versorgt werden. Hinzu kamen auch Veränderungen im kirchlichen Umfeld. Ordensgemeinschaften, die in der Regel die örtlichen Krankenpflegestationen betrieben, mussten ihre Niederlassungen auf Grund des Personalmangels schließen. In vielen Gemeinden war das vertraute Bild der Ordensschwestern nicht mehr existent. So entstand Anfang der Achtzigerjahre ein flächendeckendes Netz von kirchlichen Sozialstationen. Sie übernahmen die Grundversorgung an ambulanter Pflege und in den angeschlossenen Gemeinden Kranken-, Alten- und Familienpflegen.
Auch in Unlingen nahm in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Zahl der Mitglieder des Caritasvereins immer mehr ab, denn die überörtlichen Organisationen waren in ihren Leistungen überlegen.
Mit Erlass vom 18.5.1977 hat das Bischöfliche Ordinariat alle Pfarrgemeinden angewiesen, gemäß den Plänen der Landesregierung beim Ausbau eines flächendeckenden Netzes von Sozialstationen mitzuwirken. Schon bestehende Pflegevereine sollten miteinbezogen werden.
Im Auftrage des Dekanatsrates erfolgte die Gründung der Sozialstation Riedlingen für das Dekanat Riedlingen unter Trägerschaft der Kirchengemeinde St. Georg Riedlingen unterhält. Zum Jahrebeginn1980 hat sich die Riedlinger Sozialstation dem Caritasverband für Württemberg angeschlossen.
In Unlingen hat sich die bürgerliche als auch die kirchliche Gemeinde für einen Anschluss an die Sozialstation ausgesprochen; dieser Beschluss war schon aus finanzieller Hinsicht nicht zu umgehen, weil Zuschüsse nur noch an die Verwaltung der Sozialstation ausbezahlt werden sollten. Ohne Zuschüsse konnte der Caritasverein die Krankenstation nicht finanzieren.
Pfarrer Haug und Bürgermeister Koch brachten 1980 in einem Rundschreiben vom an alle Bürger und Bürgerinnen ihren dringenden Wunsch zum Ausdruck, Mitglied der Sozialstation zu werden (Quelle M98).
Der Caritasverein eigentlich keine echte Aufgabe mehr. Zuletzt bestand die einzige Aufgabe darin, die Mitgliedsbeiträge zu erheben und der Sozialstation zuzuführen:
Die freiwillige Handarbeitsschule wurde schon 1942 eingestellt.
Nachdem das Mutterhaus in Untermarchtal hat den Schwesterngestellungsvertrag (Kranken- und Kindergartenschwester) zum 1. März 1980 schriftlich gekündigt hatte, ist die häusliche Krankenpflege durch die Schwestern weggefallen. Das Kloster Untermarchtal konnte keine Krankenschwester mehr stellen.
Der Kindergarten ging 19?? in die Trägerschaft der Kirchengemeinde über.
Keine der ursprünglichen Hauptaufgaben des Caritasvereins Unlingen, „ein geordnetes Zusammenwirken aller auf caritativem Gebiet tätigen Kräfte herbeizuführen, insbesondere eine Station für Privatkrankenpflege, eine Kleinkinderschule und eine freiwillige Handarbeitsschule zu unterhalten“, war mehr vorhanden. Folgerichtig wurde die Auflösung des Caritasvereins in die Wege geleitet.
In einer Mitgliederversammlung am 4.12.1995 wurde die Auflösung des Vereins beschlossen. Zur Liquidatorin wurde Ingrid Linz, Rechtspflegerin, benannt.
Übergabe des Vereinsvermögens an die Kirchengemeinde
Die letzte Mitgliederversammlung des Caritasvereins Unlingen i.Liquidation fand am Freitag 30. Mai 1997 im Pfarrsaal statt.
Am 18.6. 1997 wurde im Vereinsregister eingetragen: Die Liquidation ist abgeschlossen. Der Verein ist erloschen.
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Anhang:
Aus dem Protokollbuch
Aus der ersten Niederschrift der Generalversammlungen
6.4.1924 im Petrus
Bisheriger Vorsitzender Hochw. H. Kaplan Pfleghar
Jahresbeitrag infolge der heutigen Geldverhältnisse auf 3 Goldmark festgelegt
Für neu eintretende Mitglieder ein Eintrittsgeld von 5 Goldmark
Wahl des Vorstandes: Vorsitzender Hochw. Herr Pfarrer Nagel, Schriftführer Schultheiß Friedrich Kocher
Generalversammlung 20.9.1925 im Hirsch
Wegen eines im kommenden Winter abzuhaltenden Nähkurses...Anmeldungen bei Schwester Oberin....bei genügender Zahl soll vom Kloster eine weitere Schwester angefordert werden.
Generalversammlung 26.9.1926 in d. Sonne
§6 Der Vorsitzende gibt auf Wunsch nähere Auskunft über den Fall „Kuno Munding“. Die Versammlung beschließt unter allen Umständen für die Erhaltung und Weiterführung der Kleinkinderschule einzutreten.
Generalversammlung 2.10.1927 im Eck
Abberufene Schwester Antonia
Generalversammlung 28.10.1928 im Adler
Jahrebeitrag auf 2 Mark heruntergesetzt
Der Vorsitzende dankt den Mitgliedern für ihre mildtätigen Zuwendungen
Nähkursgebühr für hiesige 3M für auswärtige 4Mark
§8 Eine Eingabe des Vorstandes wegen der Befreiung der Kleinkinderschule von den Vorschriften des Wohltätigkeitsgesetzes wird für sehr angebracht und gut geheißen.
Generalversammlung 13.10.1929 in d. Sonne
Der bisherige Schultheiß Kocher wurde zum Aktuar in Riedlingen befördert; neuer Schriftführer Schultheiß Hermann Kräutle
Generalversammlung 8. 12. 1930 im Hirsch
Das Schwesternhonorar mit Wirkung vom 1. Januar 1930 auf 20 RM festgesetzt
Am 5. März 1929 lief vom Jugendamt und Caritassekretariat ein Visitations..... ein, worauf die alten Bänke in der Kinderschule ausgeschieden und durch Tische und Stühle ersetzt werden sollen. Die Versammlung kann sich zu der ..... Neu-Einrichtung der Kosten wegen nicht entschließen.
Spätere Anmerkung von Pfarrer Schoch: wurden lt. Rechnungen vom Juni 1936 von den hiesigen Schreinern Gebr. Kocher und Anton Schmid geliefert: 40 Stühlchen und 4 Tischchen.
Geplant Nähkursbeginn am 15.12.1930, Dauer ein Vierteljahr
Generalversammlung 14.12.1941 in d. Kirche
Jetziger Vorsitzender H.H. Pfarrer Schoch
besonderer Umstände wegen in der Kirche
§2 Der Raum, in welchem bis jetzt der von den Schwestern geleitete Kindergarten untergebracht war, wurde von der Gemeinde entzogen, da in demselben ein N.S.V. Kindergarten eröffnet wird. Der konfessionelle Kindergarten wird dadurch von selbst aufgehoben.
Wahl einer neuen Vorstandschaft
Beitrag für 1942 auf RM 6 erhöhen, falls notwendig
Beratung des Vorstandes 28.12.41
Der Vorsitzende erstattete Bericht über die gemachten Vorbereitungen zur Errichtung einer Flick- und Nähstube. Es wurde beschlossen die Flick- und Nähstube Anfang Januar in den von Herrn Bücheler z. Eck in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellten Räumen zu eröffnen. 5RM pro Monat und Teilnehmerin
Generalversammlung vom 13.12.1942 in d. Kirche
...infolge der Kriegsverhältnisse manche Änderung...
Beitrag bleibt bei 2RM
Auszug aus dem Protokoll 26. 9.43
§1 Das Kloster Reute
Generalversammlung 19.12.1943
§4 Der Vorsitzende eröffnet der Versammlung, dass sich das Mutterhaus Reute wegen Schwesternmangel genötigt sah, die hiesige Schwesternstation aufzuheben und dass es ihm nach längeren Bemühungen nicht gelungen sei, eine Krankenschwester vom Kloster Untermarchtal zu bekommen.
Beitragserhöhung für 1944 auf 5RM
Für Nichtmitglieder Tagespflege 1RM und für Nachtwache 2RM zu erheben
Generalversammlung 1.6.1947
Seit 1943 keine Generalversammlung mehr (1944 große Luftgefahr; durch Einmarsch der franz. Truppen alle Vereine automatisch aufgelöst)
§4 Der Vorsitzende erstattete Bericht über die geleisteten Arbeiten zur Wiedererrichtung einer neuen Schwesternstation. Als Termin der Eröffnung ist der 20. des Monats vorgesehen. Der Vorstand wird ermächtigt, Alles zur Einrichtung der Wohnung des Kindergartens usw zu tun, ebenso alles Erforderliche mit der politischen Gemeinde und dem Mutterhaus Untermarchtal zu veranlassen.
Beständige Gefahr durch Luftangriffe; Erfassung aller verfügbaren Kräfte für den totalen Krieg; militärischer Zusammenbruch; Zonenaufteilung; Caritasverband für Württemberg-Süd durch Erlass der fr. Militärregierung Tübingen am 22.3.1946 offiziell als Organisation genehmigt; 175 Mitglieder;
Sitzung der Vorstandschaft 29.6.1947
Monatsbeitrag Kindergarten 0,50RM
Vertrag vom 31.11.1947 Vertrag mit der Gemeinde....
Auszug aus der Verhandlungsniederschrift des Gemeinderates, verhandelt am 25. 2. 1948: „§1 Durch die gütige Berücksichtigung bezw. Bevorzugung der Gemeinde Unlingen durch das Mutterhaus Untermarchtal, konnte im Jahr 1947 die hiesige Schwesternstation wieder eröffnet werden....wird heute einstimmig beschlossen: Die Gemeinde übernimmt für das laufende Geschäftsjahr 1948 die Aufbringung des Fehlbetrages der Caritasjahresrechnung, den der Jahresbeitrag des Caritasverein (im Jahre 1948 pro Mitglied 5 M) nicht deckt.
Der Fehlbetrag im Jahr 1948 belief sich auf 142,88 DM;
Nach 16 Jahren Dienst erkrankte Schwester Ermenburgis; konnte ihre Arbeit nicht mehr aufnehmen; eine neue Kraft stand nicht mehr zur Verfügung.
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