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Zeitenwende 1806

1 Die Napoleonischen Kriege und ihre Folgen für das Dorf Unlingen

2 Steuerreform

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Die kriegerischen Auseinandersetzungen dauerten 23 lange Jahre, von 1792 bis 1815.

Unlingen hatte schwer darunter zu leiden.

 

>>>> Link zum Beitrag Erbermliche Zeiten

 

Einquartierungen und Durchmärsche von verbündeten und feindlichen Truppen brachten das Dorf in Not.

Und mitten in den Kriegsjahren gab es für Unlingen eine Zeitenwende.

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Am 1. Januar 1806 begann für das ehemalige vorderösterreichische Dorf Unlingen ein neues Kapitel der Dorfgeschichte.

Ortschronist Kraus vermerkt treffend: „… wurden wir von der österreichischen Monarchie getrennt und dem König von Württemberg übergeben.“

 

Zeitzeuge Joseph Kraus notiert in seiner Chronik Seite 39 dazu: „ jetz aber draffen sie (die Franzosen) die Kaiserliche Armee an bey Austerlitz und sambt ihren hohen Mitallierten, welche die Russen waren. Hier wurde von dißen so lang andauernden Krieg die Entscheidung gemacht…Der französische Kaiser Napolyon Bonebarde sigerte…Darauf wurde in 1806 im Jenner  zu Breßpurg Fried geschlossen. In diesem Fried wurden wir von der österreichischen Monarchie getrennt und an den König von Wirttemberg, der durch diesen Friedenschluß zum König erhoben, übergeben.“

 

Th. Selig titelt im Unlinger Heimatbuch Seite 94 nüchtern: Der Übergang an Württemberg. Eine neue Zeit war angebrochen.

 

Von einem großen Staat abgetrennt und einem kleinen Staat zugeteilt, die Folgen für das Dorf waren tief greifend. Durch die Vereinigung des katholischen Oberschwaben mit dem evangelisch geprägten Altwürttemberg wurde Vieles in der Verwaltung auf allen Ebenen neu geordnet, mit ganz konkreten Auswirkungen für jedes einzelne Hauswesen.

 

Manche Ereignisse, die das Dorfleben unmittelbar betrafen sind im Gemeindearchiv dokumentiert.

 

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1806 Johann Mentz, Joseph Lutz, Konrad Redich, Johannes Greter, Nikolaus Braunker,

1807 Xaver Hildenbrand, Ignatz Waldner, Jakob Scherberger, Konrad Schmid

1808 Mathias Schwartz, Lukas Waldner

Gleich noch in seinem ersten Regierungsjahr erläßt König Friedrich das Konskriptionsgesetz, das die Aushebung zum Wehrdienst regelte. Unlingen musste Rekruten stellen. Für das Jahr 1806 trifft es Unlingen mit 5, in den nächste beiden Jahren nochmals mit 6 Männern. 

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>>>> Link zum Beitrag Rekrutierung 

 

Für ein Dorf mit rund 900 Einwohnern recht viele junge Männer, wobei man davon ausgehen musste, dass nur wenige den Kriegsdienst überleben würden.

2 Steuerreform

Unlingen wurde württembergisch heißt nicht nur einem neuen König huldigen, eine neue Staatsangehörigkiet annehmen, sonder auch den Gesetzen der neuen Regierung/Verwaltung unterwerfen werden. Als Neu-Württemberger unterlagen die Unlinger nun dem württembergischen Ertragsteuersystem. 

Unter König Friedrich I. (1806-1816) begann ein Umbau des Steuersystems. Sein Sohn König Wilhelm I. (1816-1864) führte die Reformen weiter. Bei diesem Steuersystem wurden die Gebäude, der Grundbesitz und das Gewerbe mit Steuern belegt.

 

Bei der Grundsteuer war der zu erwartende Ertrag maßgebend, bei der Gebäudesteuer der geschätzte Verkaufswert, bei der Gewerbesteuer das durchschnittliche Arbeitseinkommen.

Da bei der Grundsteuer hinsichtlich der zu erwartenden Erträge besteuert werden sollte, war eine korrekte Schätzung der Äcker und Wiesen nach Ertragsklassen notwendig. 

 

Dieser Schätzung verdanken wir einen wertvollen Einblick in die ökonomischen und sozialen Verhältnisse jener Zeit.

 

Das Jahr 1816 ist allgemein bekannt als das Jahr ohne Sommer.

>>>> Link zum Beitrag Das Jahr ohne Sommer

 

Bevor noch die weltweite Klimakatastrophe des Jahres 1816 so richtig zu spüren war, begann man in Unlingen in den Monaten April und Mai 1816 mit der Erstellung eines „Neuen Steuerfußes“

(dokumentiert um Gemeindarchiv-Band B 474).

 

Wie kann man korrekt die Vermögensverhältnisse als Grundlage einer Besteuerung erheben?

Durch ein öffentliches Verfahren und mit einer gewählten örtlichen Schätzungskommission.

So hatte bei der Einschätzung der Steuerobjekte Gebäude, Äcker, Wiesen und Gewerbe die Gemeinde ein Mitspracherecht. Aus der Mitte der Bürger wurden Sachverständige gewählt und beeidigt. Sie mussten die nötige Auskunft zu den Steuerobjekten geben.

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Als erster Schritt wurde von der Schätzungskommission eine Klassifikation der Äcker und Wiesen in den drei Öschen erstellt. Dabei einigte an sich auf eine Abstufung in drei Klassen. 

 

Für alle Klassenabstufungen wurde ein Steuerabschlag festgelegt.

Zum Beispiel: Die Äcker im Dorfösch mit der Kategorie 1 wurden pro Jauchert mit 48 Gulden Kapitalsumme geschätzt, dafür war als Steuer pro Gulden 1 Heller zu entrichten.

 

Als zweiter Schritt wurde beschlossen, für jeden Steuerpflichtigen alle seine Steuerobjekte aufzunehmen. Für eine spezifische Aufnahme der sogenannten liegenden Güter war das 1720 gefertigte Urbarium wegen der seither vergangenen unzähligen Veränderungen nicht mehr zu gebrauchen. Um die Aufnahme der Güter genau zu besorgen, rief man jeden Besitzer vor und forderte ihn immer in Gegenwart eines Teils seiner Nachbarn auf seinen Besitzstand getreu anzugeben und ließ ihn dann seine Angaben beurkunden.

 

Anlässlich einer Bürgerversammlung wurde durch Rechnungs Revisor Gruzmann von Riedlingen die Notwendigkeit der Maßnahme und die Grundzüge der Vorgehensweise erklärt. Laut amtlichem Protokoll zeigte sich die ganze Bürgerschaft vollkommen zufrieden.

122 Aufnahmen wurde erstellt und von den jeweiligen Steuerpflichtigen mit eigenhändiger Unterschrift beurkundet.

 

Die Gültigkeit der Niederschrift beurkundeten am 20. Juni 1816 Schultheiß Josef Munding, Bürgermeister Johann App, sowie Mathias Ländle, Christian Kraus und Engelbert Selig.

 

Joseph Munding war Bauer auf dem Inzighofer Hof, ein Lehensbauer, der 28,5 Jauchert Lehensäcker und 4,5 Mannsmad Lehenwiesen bewirtschaftete. Zusätzlich hatte er 3,5 Jauchert Eigenäcker und und 1 6/8 Eigenwiesen. Zum Schultheiß war von der Landesregierung als deren Vertreter berufen worden, eine Art Ortsvorsteher.

 

Johann App wurde von der Gemeinde in sein Amt gewählt, er war dem Schultheiß unterstellt, vergleichbar mit der Funktion eines Gemeindepflegers. Er bewirtschaftete 6 3/8 Jauchert Lehensäcker und 1 6/8 Mannsmad Lehenwiesen und als Eigenäcker 4 1/8 Jauchert und als Eigenwiesen 1 1/8 Mannsmad.

 

Mathias Ländle war Bauer mit 3,5 Jauchert Lehensäcker und 6 2/8 Mannsmad Lehenwiesen, und 6 Jauchert Eigenäcker.

 

Christian Kraus war Bauer mit 20,5 Jauchert Lehensäcker und 6 3/8 Mannsmad Lehenwiesen und 6,5 Jauchert Eigenäcker und 1 3/8 Mannsmad Eigenwiesen.

 

Engelbert Selig war Bauer und Glaser mit 5 3/8 Jauchert Eigenäcker und 2 5/8 Mannsmad Eigenwiesen.

 

Württembergische Verwaltungsgründlichkeit

Zum Einzug der Steuern angelegt, verzeichnet nun das Steuerbuch von 1816 sämtliche Grundstücke und Gebäude auf der Gemeindemarkung nach den beeideten Angaben der Inhaber. Auf diese Weise entstand für das Jahr 1816 eine Art Lagerbuch der Güter der Gemeinde mit Lage und Wert und Größe der Güter für jeden einzelnen Steuerpflichtigen.

 

Heute kann uns diese individuelle genaue Beschreibung des Besitzstandes jedes Steuerpflichtigen einen tiefen Einblick in die sozialen Verhältnisse jener Zeit geben.

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