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Die Geschichte der kleinsten und die größten Glocke von Unlingen

1 Abgeführt und wiedergekommen, die große Glocke kehrt zurück

Sie ist die älteste und größte Unlinger Glocke,1004 kg schwer, mit 120 cm Durchmesser und 0,95 m hoch. Im Jahr 1677 wurde sie von Rosier und Arnold, wie es damals bei großen Glocken üblich war, im Pfarrhof neben der Kirche gegossen, um den schwierigen Transport zu umgehen.

In ihren Glockenkörper ist ihre Bestimmung in Großbuchstaben eingegossen:

DEUM LAVDO, POPVLVM CONVOCO, DAEMONES FVGO MORTVOSQVE DEPLORO, ANNO DOMINI M:DC:LXXVII.
Ich lobe Gott, rufe das Volk zusammen, vertreibe die Dämonen, beweine die Toten
Im Jahr des Herrn 1677

Sie trägt reiche Verzierungen:
Flanke unterteilt durch Friesband aus liegenden Ranken, ausgehend von weiblicher Groteske. In der Oberzone: 1. Muttergottes auf Mondsichel im Strahlenkranz, eingeschlossen von einem ovalen Rosenkranz über der Inschrift: S MARIA INTERCEDE PRO NOBIS. 2. Hl. Franziskus kniend. 3. Kreuzigungsgruppe, seitlich flankiert von S. MATHAE und S. MARCVS, unterhalb von S. LVCAS und IOANNES. 4. H. Petrus und Paulus. Sämtliche Reliefs zwischen schrägstehenden Salbeiblättern.
(Aus: Die Glocken des Oberamtes Riedlingen, 1921)

 

Im Kriegsjahr 1917 mussten Glocken abgeliefert werden. Die Marienglocke, als größte und älteste der Glocken wurde von der Abgabe wegen ihres Alters und Wertes befreit.
 

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Am Donnerstag, 19. Februar 1942, überbrachten die mit der Abnahme Beauftragten einen Erlass des Reichswirtschaftsministers vom 20. Januar 1942, wonach jeder Kirchengemeinde nur die kleinste vorhandene Glocke verbleibt und eine Rücksichtnahme auf Alter und Kunstwert nicht gemacht wird.
Die letzte der vier Kirchenglocken wurde am 23. Februar des Jahres 1942 abgenommen und auf der Unlinger Gemeindwaage gewogen. Nach einem Abschiedsläuten mit der verbliebenen kleinsten Glocke, der Zügenglocke, wurden sie am Dienstag, 24. Februar 1942 mit zwei Schlitten nach Riedlingen abgeführt.

 

 

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​Wie kann man eine Glocke mit einem Durchmesser von 120 cm, einer Höhe von 96 cm und einem Gewicht von 1004 kg vom Glockenstuhl abnehmen und sicher unten abseilen?

Ohne moderne technische Hilfsmittel?
Wie breit und hoch sind die Schallöffnungen des Kirchenturms?


Obwohl der Bronzeguss der Kirchenglocken nicht für Kriegszwecke zu gebrauchen war, wurden etwa 50 000 Glocken eingeschmolzen.


Von der Glockensammelstelle im Hamburger Hafen ist von den vier Unlinger Glocken nur die große Glocke am 20. April 1948 wieder hierher ins Heimatdorf zurück gekommen. Sechs Jahre lang mussten die Unlinger auf ihre große Glocke verzichten. Sie ist ein echtes „Unlinger Kind“, denn im Deutschen Glockenatlas ist erwähnt:
„Doch sind wohl auch weiterhin die meisten Glocken, zumindest die größeren, am jeweiligen Bestimmungsort entstanden.“ Fußnote 315:
Mehrfach archivarisch belegt z.B. für Rottweil und Unlingen (Saulgau).

Es muss ein großartiges Erlebnis für die Bevölkerung gewesen sein, wie die Glockengießer im Kirchhof in wochenlanger Arbeit die dreifache Hülle der Glocken geformt und später mit glühendheißer Bronze die Glocke gegossen haben.
Es geht dazu die Sage, „die Frauen und Töchter haben damals ihr goldenes und silbernes Geschmeide in das flüssige Glockenmetall geworfen, weshalb die Glocke einen so schönen Klang bekommen habe.“ (Th. Selig, S. 118)

Die drei anderen, neuen Glocken wurden 1951 in Heilbronn von der Firma Bachert gefertigt.
In einem Zeitungsartikel zur Glockenweihe wird geschrieben, nach dem Gutachten des Glockensachverständigen seien diese drei neu gegossenen Glocken überdurchschnittlich gut, ihr Guss- und Klangbild sei hochbefriedigend.
So habe nun die alte e’-Glocke wieder drei Schwestern erhalten und zwar in fis’, gis’ und h’.

Die Glockenweihe war am 18.2.1951
Die würdige Feier wurde, dem besonderen Auftrag und der Bedeutung der Glocken entsprechend, durch den Kirchenchor und Musikverein festlich gestaltet.
Sie begann am Nachmittag um 14 Uhr mit einem Orgelspiel und einer Ansprache von H.H. Dekan Göser aus Riedlingen.
Im Freien neben der Kirche nahm er Weihehandlungen der festlich geschmückten, glänzenden Glocken vor: Taufe und Salbung.
Mit geweihtem Salz und Wasser wurden die Glocken erst gewaschen und dann mit Öl gesalbt.

 

 

 

 

 

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Nach der Erhebung der Glocken auf den Turm konnten alle Glocken zusammen ihren Dienst aufnehmen. Die neuen Glocken erzeugen mit der historischen Denkmalglocke ein unverwechselbar individuelles Klangbild.
Das erste gemeinsame Läuten der vier Glocken war das 12-Uhr-Läuten am 21.2.1951.

Die Pfarrgemeinde hat sich bei der Glockenanschaffung große Opfer auferlegt. Sie wollte trotz großer materieller Not ihr Glockengeläut wieder haben. Die Glocken läuten zu hören war ihr so wichtig, dass Pfarrer Gossner trotz der schwierigen Nachkriegszeit für die drei Glocken 12000 DM an Spendengeldern bekam. Für die Erneuerung der Kirchturmuhren wurden zudem 5000 DM ausgegeben, die von der Gemeinde übernommen wurden.

Mit ihrem Klang erfüllen die Kirchenglocken ihre vornehmste Aufgabe, die Gläubigen wenden sich dem Göttlichen zu.
Glocken vermögen Himmel und Erde zu verbinden.

Während des 2. Weltkrieges wurde schon früh begonnen, den Glockenbestand zu erfassen. Am 8. Mai 1940 gab Pfarrer Schoch mit einem amtlichen Formular an die Diözese Auskunft über die Unlinger Glocken. Der Glockenbestand waren die vier Kirchenglocken im Glockenstuhl und die ehemalige kleine Zügenglocke, die auf der Kirchenbühne deponiert war.Sein Antrag auf Befreiung der großen Glocke von der Abgabe hatte keinen Erfolg.

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2 Die Geschichte der Klosterglocke
Das Zügenglöckle - Die Glocke, die man eigentlich nicht hören möchte


In Süddeutschland, Österreich und Schweiz gibt es oft in den ländlichen Pfarreien eine eigene Glocke, die als Totenglocke dient. Die sogenannte „Zügenglocke“, wird ausschließlich zu diesem Zweck und somit niemals gemeinsam mit den anderen Glocken geläutet. Der Name leitet sich her von der Umschreibung „der Sterbende liegt in den letzten Zügen.

In Unlingen wird nach dem Tod eines Pfarreimitgliedes nur noch beim Totenrosenkranz oder Abschiedsgebet mit der kleinen Totenglocke (Zügenglöckle) geläutet, die sich heute im kleinen Türmchen am Westgiebel der Pfarrkirche befindet.
Als Scheidegeläut und beim Gang zum Friedhof nach dem Requiem läutet die große Kirchturmglocke.

Die kleinste Unlinger Glocke war ursprünglich die Klosterglocke des Franziskanerinnen-Klosters in Unlingen. Die aus Unlingen stammende damalige Klostervorsteherin Mutter Anna Johanna Hermanutz schreibt in ihrem Klosterbuch:

„1664 hab ich unser Glekhle das erste Mall gissen lassen, dan es ist vor niemallen kains da gewessen. Und der jetzige Pfarrherr Magister Johann Jerg Frits hat uns vergundt, das wir auff unsern Costen haben derffen auff die Kirchen henkhen.“

 

 

Und für das Jahr 1686:






 

 

 

 

 

Nur 106 Jahre später wurde das Frauenkloster 1782 auf Anordnung des österreichischen Kaisers Joseph II das Kloster aufgelöst. Der damalige Pfarrer und Dekan Christoph Kleber wurde zur Mitarbeit bei der Aufhebungscommission verpflichtet. Das gesamte Eigentum des Klosters wurde zugunsten Österreichs verkauft.
In dem kleinen Türmchen am westlichen Giebel der Pfarrkirche befand sich das „Gleckhle“ des Frauenklosters. Diese Glocke kaufte Dekan Kleber und vermachte sie der Gemeinde. So berichtet es die Ortschronik der beiden Gemeindepfleger Krauß und Kob.
Sie wurde als Zügenglocke eingesetzt.

Die kleine Glocke, nunmehr 131 Jahre alt, wurde 1817 von Thomas Frauenlob, Ulm, umgegossen und wurde im kleinen Türmchen über dem Westgiebel installiert.
Die Beschreibung im Deutschen Glockenatlas lautet:
Nr. 1358a
Das sog. Zügenglöckchen, bez. Thomas Frauenlob, Ulm, 1817, Durchm. 41 cm, H. 35 cm. Schulterinschrift: GEGOSSEN VON THOMAS FRAUENLOB IN ULM ANNO 1817. Darunter Gitterfries. Flanke: Muttergottes. Kronenbügel an der Vorderseite Fratze.
1920 wurde es abgenommen, es konnte auch nicht mehr damit geläutet werden, da kein Glockenseil mehr vorhanden war.
Th. Selig schreibt in einer Chronik:
„Über das ehemalige Klosterglöcklein, welches Dekan Kleber anno 1784 kaufte und der Pfarrkirche als Zügenglöcklein schenkte, sei hier bemerkt, dass es anno 1920 in Gefahr war, in evangelische Hände zu kommen, weshalb es der Pfarrer von Uigendorf (Theodor Selig selbst; er war dort Pfarrer von 1908 bis 1950; Anm. E. Schneider) für die dortige Pfarrkirche ankaufte, wo es einige Jahre Dienst tat, da dort nur noch eine Glocke vorhanden war. Als das Geläute in Uigendorf wieder ergänzt war, schenkte der Pfarrer von dort das alte Klosterglöcklein, welches anno 1816 umgegossen worden war, und welches er inzwischen ganz in seine Hände gebracht hatte, seiner Heimatkirche, damit dieses Andenken an das ehemalige Unlinger Frauenkloster wieder an seinen alten Platz komme.“

Aus dem Meldebogen von Pfarrer Schoch über den Glockenbestand (1942) geht hervor man, dass die Zügenglocke auf dem Dachboden der Kirche deponiert war. Sie ist nach der Rückkehr von Uigendorf vorerst nicht installiert worden.
Als die vier Glocken während des Zweiten Weltkriegs abgeliefert werden mussten, wurde sie als einzig verbleibende Glocke in Dienst genommen. Man installierte sie im Kirchturm, mit einem Glockenseil konnte sie von unten im Glockenhaus aus geläutet werden. Die Ministranten wurden streng angehalten, ja vorsichtig zu läuten, wie dies schon beinahe dreihundert Jahre vorher Klostermutter Anna Johanna Hermanutz angemahnt hatte.

Seit der Kirchenrenovation im Jahr im Jahr 2006 wird das „Zügenglöckle“ mit elektrischem Antrieb geläutet.

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Reliquie gefunden

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Bei der Durchsicht von Akten im Pfarrarchiv kam ein dort abgelegtes Briefchen zum Vorschein. Bei dem Fundstück handelt es sich um eine Medaille und eine Reliquie. Verborgen unter einem Blechschildchen am Joch der Zügenglocke wurde sie entdeckt und von Pfarrer Schoch archiviert.

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Klosterglöckle markiert WW.jpeg

„Item in disem Jahr hab ich unser Gleckhle widerumb zur Biberach giessen lassen. Hab miessen 30 .. dar für geben, Des halben wahrne ich eich liebe Schwestern. Wan ihr des laithend, so zieht nit starck an und herend nit so schnell auff, sonsten versprinckht es glaich wider. Das sagen alle Glockhengiesser.“  

3 Läuteordnung

 

Gottesdienstliches Läuten

 

Werktagsgottesdienst

Eine halbe Stunde vor dem GottesdienstGlocke 2, 3 Minuten

Eine viertel Stunde vor dem GottesdienstGlocke 3+4, 3 Minuten

 

Sonntagsgottesdienst

1 Stunde vor dem GottesdienstGlocke 1, 4 Minuten

Eine halbe Stunde vor dem GottesdienstGlocke 2, 4 Minuten

Eine viertel Stunde vor dem GottesdienstGlocken 2+3+4, 4 Minuten

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An Festtagen

Zusammenläuten,eine viertel Stunde vor dem Gottesdienst Glocken 1+2+3+4

 

Einläuten des Sonntags  Glocken 4+3+2+1, 4 Minuten, Samstag 16 Uhr

 

Während des Gottesdienstes

Ermöglicht denen, die nicht zur Messfeier in der Kirche versammelt sind, aber das Läuten hören können, eine geistige Teilnahme.

Evangeliumsläuten  Glocke 4, so lange das Evangelium verkündet wird

Wandlungsläuten    Glocke 2, an Werktagen und Sonntagen

                               Glocke 1, an Feiertagen

Wettersegen      

ab 1. Mai bis 14. September  Glocke 3

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Fronleichnam

Zu Beginn der Prozession  Vollgeläut Glocken 4+3+2+1, 3 Minuten

An den Altären   Glocke 1, 3 Minuten

Rückkehr von der Prozession Vollgeläut Glocken 4+3+2+1, 3 Minuten

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Himmelfahrt

Zu Beginn der Prozession   Vollgeläut Glocken 4+3+2+1, 3 Minuten

An den Kreuzen   Glocke 4, 3 Minuten

Rückkehr von der Prozession   Vollgeläut Glocken 4+3+2+1, 3 Minuten

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Hochzeit, wie an Sonntagen

Taufe, wie an Werktagen

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Requiem, wie an Sonntagen

Zum Gang auf den Friedhof   Glocke 1

Scheidegebet   Glocke 1

Totenrosenkranz, Abschiedsgebet   Totenglocke. Zügenglöckle

 

Betläuten

Angelusläuten   Glocke 2, 6 Uhr

                          Glocke 2, 12 Uhr

                          Glocke 2, 20 Uhr

Elf-Uhr-Läuten   Glocke 3, 11 Uhr

 

Stundenschlag

Zur zeitlichen Orientierung, insbesondere älteren und kranken Menschen, gerade auch in den Nachtstunden

Viertelstundenschlagen1 Doppelschlag mit Glocke 4+3

Halbstundenschlagen 2 Doppelschläge mit Glocke 4+3

Dreiviertelstundenschlagen 3 Doppelschläge mit Glocke 4+3

Zur vollen Stunde  Glocke 2

4 Chronologie
 

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5 Die Quellen zur Geschichte der Unlinger Glocken


Älteste Quelle, Urbuch des Franziskanerinnen-Klosters
Klostervorsteherin Anna Johanna Hermanutz schreibt zum Jahr 1686
Item in disem Jahr hab ich unser Gleckhle widerumb zur Biberach giessen lassen. Hab miessen 30 G. darfür geben, Deshalben wahrne ich eich liebe Schwestern. Wan ihr des laithend, so zieht mit starck an und herend nit so schnell auff, sonsten versprinckht es glaich wider. Das sagen alle Glockhengiesser.
Urbuch AJH Bericht011.jpg

Zweite Quelle
Gemeindeschreiber Krauß und Kob
Ortschronik Unlingen, Gemeindearchiv Unlingen,
Bd. 195, Signatur B 19a, S.1

Transkription des ersten Abschnittes (Eberhard Schneider)

Anno 1713
Nach Erbauung der Kirchen hatte eine löbl. Gemeind ein ein eigentümblich glecklein in den Turm gehengen gehabt. Weillen aber der Herr Pfarrer Johanni Christoph Muschgart und bede Heilgl. Pfleger als neimlich Mathias Kraus und Balthasar Grießing die gemeind ersucht das besagte glöckhlein zu vergrößern ist aber solches von Mehr ersagte löbl. gemeind vergünnt und zugesagt worden mit dieser bedingung dass der gemeind zu Ihrem gebrauch zu Ewigen zeithen geruhiglich ohne alle widerred zu leiten habe sowohl zu der gemeind als als anderen hohen diensten
dies zur nachricht


Anmerkung
Pfarrer Muschgart veranlasste ab 1711 eine Erweiterung der alten, zu kleinen und baufälligen Pfarrkirche. Von der bisherigen Kirche blieb der Altarraum mit Kirchturm bestehen.
Die Gemeinde hatte für ihre Zwecke (Zusammenrufen für Gemeindeangelegenheiten, z.B. Frondienste) ein eigenes Glöcklein im Turm hängen. Die beiden Heiligenpfleger Kraus und Griesing ersuchten zusammen mit Pfarrer Muschgart um die Erlaubnis, das Glöcklein vergrößern zu lassen. Diesem Ersuchen wurde von Seiten der Gemeinde zugestimmt. Die Bedingung war, dass für die Gemeinde für alle Zeiten ohne Widerrede zu läuten sei, für Gemeindedienste und andere hohen Dienste.

Diese kleine Glocke wurde (nach Th. Selig, siehe unten) die Bruderschaftsglocke, der von Pfarrer Muschgart ins Leben gerufenen Sankt-Anna-Bruderschaft.

Transkription des zweiten Abschnittes (Eberhard Schneider)

1784
hat ein hochwirdiger Herr Pfarr und Decan Kleber vom aufgehobenen Kloster oder deßen aufhebungs Comision das kleckhlein so ruckwerts auf der Pfarrkirchen steht abgekauft und bezahlt der Gemeind zu einem Zigengleckhlein Eigenthumlich außermacht. Wenn ein sterbender in zigen ligen selbes geruhiglich ohne alle widerred leiten dürfe so oft es erforderlich ist.


Anmerkung
Das Frauenkloster in Unlingen wurde 1782 aufgehoben. Dekan Kleber war zu der Zeit Pfarrer in Unlingen und zuständig für die ehemaligen Klosterschwestern, die jetzt als Institutsfrauen in ihren bisherigen Räumen verbleiben konnten.
In dem kleinen Türmchen am westlichen Giebel der Pfarrkirche befand sich die kleine Glocke des Frauenklosters (siehe oben, Anna Johanna Hermanutz). Diese Glocke kaufte Dekan Kleber und vermachte sie der Gemeinde. Sie wurde als Zügenglocke eingesetzt. Wenn ein Sterbender in den letzten Zügen lag wurde dies durch das Läuten angezeigt. Gleichermaßen war diese Glocke auch die Sterbeglocke.

Transkription des dritten Abschnittes (Eberhard Schneider)

1787
ist die Mitag Glocken um gegoßen worden und mittlest algemeinen beitrag einer anlag Mit 114 fl.
sind 4 Centhner verbessert und auf sie gelegt worden
Demnach sich die Gemeind zu erinnern weist


Anmerkung
Die zweitgrößte Glocke, Mittagsglocke, wurde 1787 umgegossen. Die angefallenen Kosten von 114 fl. wurden mittels einer allgemeinen Umlage von den Bürgern der Gemeinde aufgebracht.

 

Dritte Quelle
Broschüre
Die Glocken des Oberamts Riedlingen (1920)
Pfarrarchiv

„Die 1660 erbaute Pfarrkirche des schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts bezeugten Dorfes hat auf dem Kirchturm vier Glocken, je zwei übereinander in dem alten, schön profilierten und gekerbten Glockenstuhl.

Die erste, größte Glocke, befreit, 1677 von Rosier und Arnold gegossen, Durchmesser 120 cm, Höhe 96 cm, Ton E, Gewicht nach des Glockengießers Zoller Schätzung 18 1/2 Ztr., nicht wie in der Pfarrchronik fälschlich nur 4 Zentner, laut Tabelle ca. 1050 kg Der oberste Fries, 5 cm breit hat Blattornament darunter die Inschrift in Renaissancemajuskeln: „Deum laudo, populum convoco, daemones fugo, mortuosque deploro. Anno Domini MDCLXXVII.“
Darunter folgt ein Fries mit Pflanzenornament und dann 4 Reliefs: 1. Petrus und Paulus, stehend, wie in Neufra mit Schlüssel und Schwert, die Patrone der Pfarrkirche; unterhalb der Gruppe sieht man links und recht je ein schräg liegendes, scharf konturiertes, längeres Pflanzenblatt, ebenso wie an den drei anderen Reliefs. 2. Maria mit Jesuskind in Strahlenkranz und äußerer Umrahmung nach Art eines Rosenkranzes darunter die Inschrift in großen lateinischen Buchstabe: „S. Maria internere pro nobis.“
3. Heiliger mit Kutte, die Hände ausstreckend wie in Verzückung, wohl der hl. Franz von Assisi.
4. Kreuzigungsgruppe, Christus mit Maria und Johannes und Inschrift oberhalb links und rechts: „S. Matthäus, S. Marcus“, unterhalb: „S. Lucas, S. Joannes“, drunter wieder ein Fries. Am untersten Rand unterhalb der 9 Kreise ein schmaler Fries mit Inschrift in großen lateinischen Lettern „… Die Rosie und Stephan Arnold bin ich gemacht und gegossen worden in den Jahr Christi anno 1677“. Wegen vollständiger Überölung und Mangels an Zwischenraum zwischen Glocke und Balken sind die ersten Buchstaben (etwa ein bis zwei Worte) nicht zu lesen.
Von diese herrlichen Glocke geht eine köstliche Volkssage: deshalb habe diese so schönen Klang, weil bei Fuß der Glocke im Kirchhof oder Pfarrgarten, der nebenan liegt die Frauen der Gemeinde ihren Goldschmuck Ringe und anderes, ins flüssige Glockenmetall geworfen hätten.

Siehe zur großen Glocke auch Quelle 6
Deutscher Glockenatlas Württemberg und Hohenzollern, Sigrid Thurm, 1959, deutscher Kunstverlag 1358a

Zusammenfassung des Quellen-Textes 3 aus der Broschüre

Im schön profilierten und gekerbten Glockenstuhl befinden sich vier Glocken, je zwei übereinander.

Erste Glocke
Die größte Unlinger Glocke

1677 von Rosier und Arnold gegossen (in Unlingen?)
Durchmesser 120 cm,
Höhe 96 cm,
Gewicht geschätzt 18,5 -21 Zentner,
Friese mit Blattornamenten
Inschrift, Renaissance-Majuskeln, Deum laudo…
4 Reliefs

Zweite Glocke
1787 von Johann Daniel Schmeltz, Biberach, gegossen

Im oberen Stockwerk
Dritte Glocke
1795 von Johann Daniel Schmeltz, Biberach, gegossen

Vierte Glocke
1814 von Thomas Frauenlob in Ulm gegossen

Vierte Quelle
Heimatbuch,Theodor Selig
Der Marktflecken Unlingen, Seite 118,119
Anlage Fotokopie

An dieser Stelle wollen wir dem Turm mit seinen Glocken einen Besuch abstatten. Von den drei Glocken, die i. J. 1574, als man den Turm neu deckte, angeschafft wurden, ist keine Spur mehr vorhanden. Die älteste noch vorhandene Glocke stammt aus dem Jahr 1677, die größte von allen, die ca. 18 Ztr. wiegt. Die Gießer Rosier und Arnold haben sie gegossen. Es geht die Sage, die Glocke sei in Unlingen selbst in der Nähe des Pfarrhofs gegossen worden. Dies ist wohl glaubhaft; denn früher gab es wandernde Glockengießer, die an Ort und Stelle arbeiteten. Und man sagt weiter, die Frauen und Töchter haben damals ihr goldenes und silbernes Geschmeide in das flüssige Glockenmetall geworfen, weshalb die Glocke einen so schönen Klang bekommen habe. Die herrliche Glocke trägt neben Verzierungen die Bilder der hl. Apostel Petrus und Paulus, der Muttergottes, des hl. Franz von Ass., sowie die Kreuzigungsgruppe. Die Inschrift sagt zu deutsch: „Gott lobe ich, das Volk rufe ich zusammen, die Dämonen schlage ich in die Flucht, die Toten beklage ich". Gott sei gedankt, daß die prächtige Glocke den Weltkrieg überdauert hat! Unter den früheren Glocken des Turmes befand sich das sogenannte Gemeindeglöcklein. Es wurde stets zum Zusammenrufen der Bürger zu Fron- und anderen Diensten verwendet. Anno 1713 wurde dieses Glöcklein auf Ersuchen des Pfarrers zu einer Bruderschaftsglocke umgegossen und vergrößert, der Gemeinde aber auch fernerhin zu ihrem Gebrauch zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1787 wurde die Mittagsglocke durch Joh. Daniel Schmelz in Biberach umgegossen und die Kosten von 114 fl. durch eine Umlage aufgebracht; es war die zweigrößte Glocke, die etwa 12 Ztr. wog, mit Inschrift, Bildern und Verzierungen. Zwei weitere Glocken befanden sich im oberen Stockwerk, die dritte, gegossen im Jahr 1795 von Joh. Daniel Schmelz in Biberach, 310 kg schwer, welche 232 fl. kostete, und die vierte und kleinste, gegossen im Jahr 1814 von Thomas Frauenlob in Ulm, welche 190 kg wog und 86 fl. kostete. Die drei letztgenannten Glocken hat der Weltkrieg verschlungen. Sie wurden aber in der Nachkriegszeit wieder ersetzt durch Ankauf einer älteren und zweier neuer Glocken, welch letztere aus der Glockengießerei Kurtz-Stuttgart stammen. Die einzige neu gegossene Glocke stammt von der Firma Bachert in Kochendorf. Das kleine ehemalige Klosterglöcklein und spätere Zügenglöcklein, 1817 umgegossen von Thomas Frauenlob, welches für den Krieg unbrauchbar war, blieb vorerst im Dachreiterchen über dem Westportal der Pfarrkirche hängen, ohne Glockenseil, seit langem gefürchtet und nicht mehr geläutet, bis es im Jahr 1920 herabgenommen wurde, um vorübergehend in einer anderen Pfarrei Dienst zu tun. Es wurde wieder zurückgebracht, damit es als Andenken an das ehemalige Kloster an seinen alten Platz komme.

Anmerkung 1
„Die drei letztgenannten Glocken hat der Weltkrieg verschlungen. Sie wurden aber in der Nachkriegszeit wieder ersetzt durch Ankauf einer älteren und zweier neuer Glocken…“

… hat der Weltkrieg verschlungen:
Gemeint ist der Erste Weltkrieg. (Th. Selig hat die Texte des Heimatbuches „Der Marktflecken Unlingen“ vor dem 2. Weltkrieg geschrieben.)
1920 wurden dann wieder zwei Glocken beschafft, die dritte im Jahr 1935.


Im Jahr 1917 begann die Erfassung und Ablieferung der Kirchenglocken. Von den 70 000 abgelieferten Glocken kehrten nur 250 auf ihre Heimattürme zurück. (Kurt Kramer, Die Glocke S. 118)
Die große Glocke wurde 1917 wegen ihres Kunstwertes im Klang und ihres Altertumswertes von der Ablieferung befreit.

Fünfte Quelle
Ortschronik von Th. Selig aus dem Jahr …
(maschinengeschriebene Blätter, nicht gebunden; Pfarrarchiv Unlingen)

Th. Selig ergänzt den obigen Text aus dem Heimatbuch:

„Über das ehemalige Klosterglöcklein, welches Dekan Kleber anno 1784 kaufte und der Pfarrkirche als Zügenglöcklein schenkte, sei hier bemerkt, dass es anno 1920 in Gefahr war, in evangelische Hände zu kommen, weshalb es der Pfarrer von Uigendorf (Theodor Selig selbst; er war dort Pfarrer von 1908 bis 1950; Anm. E. Schneider) für die dortige Pfarrkirche ankaufte, wo es einige Jahre Dienst tat, da dort nur noch eine Glocke vorhanden war. Als das Geläute in Uigendorf wieder ergänzt war, schenkte der Pfarrer von dort das alte Klosterglöcklein, welches anno 1816 umgegossen worden war, und welches er inzwischen ganz in seine Hände gebracht hatte, seiner Heimatkirche, damit dieses Andenken an das ehemalige Unlinger Frauenkloster wieder an seinen alten Platz komme.“

Siehe zum Zügenglöcklein auch: Deutscher Glockenatlas Württemberg und Hohenzollern, Sigrid Thurm, 1959, deutscher Kunstverlag
1358a


Sechste Quelle
Deutscher Glockenatlas Württemberg und Hohenzollern
Sigrid Thurm, 1959, deutscher Kunstverlag

Abschrift

Nr.1358
„Bez. Beede Ioann die Rosier (I u. II) und Stephan Arnold, 1677, Durchm. 120 cm, H. 96 cm. Auf Übergang von Haube zur Schulter sechs Salbeiblätter. Schulter: Zwischen Friesbändern aus stehenden und hängenden Lilien Inschrift: DEUM LAVDO, POPVLVM CONVOCO, DAEMONES FVGO MORTVOSQVE DEPLORO ANNO DOMINI M:DC:LXXVII. Flanke unterteilt durch Friesband aus liegenden Ranken, ausgehend von weiblicher Groteske. In der Oberzone: 1. Muttergottes auf Mondsichel im Strahlenkranz, eingeschlossen von einem ovalen Rosenkranz über der Inschrift: S MARIA INTERCEDE PRO NOBIS. 2. Hl. Franziskus kniend. 3. Kreuzigungsgruppe, seitlich flankiert von S. MATHAE und S. MARCVS, unterhalb von S. LVCAS und IOANNES. 4. H. Petrus und Paulus. Sämtliche Reliefs zwischen schrägstehenden Salbeiblättern. Schlagring dreimal drei Stege. Schlaginschrift: DVRCH BEEDE IOANN: DIE ROSIER UND STEPHAN ARNOLD BIN ICH GEMACHT UND GEGOSSEN WORDEN IN DEM IAHR CHRISTI 1677. Kronenbügel an der Vorderseite gerippt.

Nr. 1358a
Das sog. Zügenglöckchen, bez. Thomas Frauenlob, Ulm, 1817, Durchm. 41 cm, H. 35 cm. Schulterinschrift: GEGOSSEN VON THOMAS FRAUENLOB IN ULM ANNO 1817. Darunter Gitterfries. Flanke: Muttergottes. Kronenbügel an der Vorderseite Fratze. (Nach Mitteilung Pater Apolliniaris Thoma.)

Anmerkung
Auf Seite 90 des Glockenatlasses
„Doch sind wohl auch weiterhin die meisten Glocken, zumindest die größeren, am jeweiligen Bestimmungsort entstanden.“
Fußnote 315:
Mehrfach archivarisch belegt z.B. für Rottweil und Unlingen (Saulgau).

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