Taglöhner und Bauer, zwei Munding-Brüder
Bauer Anton Munding und seine Frau Euphrosina Widmer hatten vier Söhne, den erstgeborene Johann Baptist Munding (geboren 18.6.1774), den zweitgeborenen Mathias Munding (geboren 23.2.1777), der dritte Sohn Georg, 1785 geborenen, ist in Napoleons großem Russlandfeldzug verschollen und der jüngste Sohn Georg ist aus Unlingen weggezogen.
Nur knapp drei Jahre trennen Joh. Baptist und Mathias vom Alter her, doch verläuft ihr Lebensweg völlig unterschiedlich.
Der eine ist Bauer, der andere Taglöhner.
In Unlingen gab es wie in ganz Oberschwaben eine deutliche soziale Schichtung. Oben standen die einen eigenen Hof bewirtschaftenden Bauern. Je nach Größe des Hofes unterschied man zwischen größeren Bauernhöfen und den Seldnern (Söldnern). So kam es bei einer Ortsbeschreibung aus dem Jahr 1803 zu der Angabe : „Dieser Ort zählt 165 Bürger, davon 32 Mayer und 124 Seldner, in allem 850 Seelen.“ Wobei es bei den Besitzverhältnissen der unterbäuerlichen Seldner wiederum große Unterschiede gab.
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Mathias Munding war weder Bauer noch Seldner. Auch hatte er laut einer Steuerliste von 1816 kein Gewerbe. Er ernährte seine Familie, indem er als Taglöhner bei den Bauern arbeitete.
Und dies mit gewissem Erfolg, seine Hofstelle gibt es immer noch, natürlich wird dort heute keine Landwirtschaft mehr betrieben. Einer seiner vielen Nachkommen hat dort als selbständiger Handwerker einen kleinen Familienbetrieb.
Arbeit fanden die Taglöhner als Aushilfskräfte überall dort, wo bei den Bauern familiäre Arbeitskräfte und Knechte fehlten.
Auch Seldner waren oft gezwungen im Taglohn zu arbeiten. Ebenso die dörflichen Handwerker, deren Einkommen aus ihrem Gewerbe und ihrem geringen Grundbesitz nicht ausreichte.
Die Handwerker, die Seldner und die Taglöhner verfügten in der Regel über einen kleinen Grundbesitz. Bei Mathias Munding war dieser Landbesitz sehr bescheiden.
Bei der umfassenden Vermögenseinschätzung für die württembergische Steuererhebung im Jahr 1816 gab er unter Zeugen und mit Unterschrift beeidet an:
Wohnhaus mit Scheuer, Schätzwert 165 Gulden
Acker im Dorfösch mit 1/2 Jauchert, der Klasse 3, Schätzwert 16 Gulden
Acker im Breitenberg, 1/2 Jauchert, Klasse 3, Schätzwert 18 Gulden
Acker im Eichertösch mit 1/2 Jauchert, Klasse 2, Schätzwert 17 Gulden
1/2 Gemeindegerechtigkeit, Schätzwert 10 Gulden
Mit der zu versteuernden Summe von 226 Gulden nimmt er den Rang 94 von 171 Personen ein, die als Steuerpflichtige in Unlingen erfasst wurden.
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Er heiratete entsprechend seiner Schicht eine Metzgertochter. Die Heiratsabsprache zur Eheschließung von Taglöhner Mathias Munding mit der Metzgertochter Theresia Moosbrugger zeigt auf, wie bescheiden die Hochzeiter in ihre Ehezeit starteten.
Heiratsabrede Nr. 142, Aktenverzeichnis 260, Gemeindearchiv Unlingen:
Im Namen der Dreieinigkeit hat sich eine ehrbare Heiratsabrede zugetragen zwischen der ledigen Theresia Moosbruggerin und dem ledogen Mathias Munding beide von hier.
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übergibt der Hochzeiterin ihr Vater Johann Georg Moosbrugger seiner Tochter eine eigene Behausung wie er dieselbe bis dato innegehabt hat, mit einer halben Gemeindsgerechtigkeit, sowie Gras- und Gewürzgärtlein, samt dem vorhandenen Heu und Stroh, auch alle Haus Mobile, was wirklich im Haus vorhanden ist, im Anschlag zusammen für 800 Gulden.
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Gibt der Vater weiteres zu kaufen, ein halb Jauchert Acker in der Unteren Laugel mit 200 Gulden.
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Weiteres ein halb Jauchert Acker im Oberen Ösch mit 200 Gulden.
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Zu der vorstehenden Übergabsumme gibt der Vater der Hochzeiterin als wahres Hochzeitgut 250 Gulden, welches abzuziehen kommt mit einer standesgemäßen Aussteuerung, so auch eine Kuh, statt derselben aber wird hier jetzt angesetzt 30 Gulden.
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Gibt Anton Munding dem Hochzeiter ebenfalls als ein wahres Hochzeitgut an barem Geld, mitsamt einer standesgemäßen Aussteuerung zu einer gebrachten Summe von 350 Gulden. Zusammen somit 630 Gulden.
Diese Summe wird von der Übergabsumme abgezogen, so verbleibenndie Hochzeiter dem Vater schuldig 570 Gulden.
Es behält sich der Vater Georg Moosbrugger vor, die Wohnung lebenslänglich in dem Haus zu haben, auch eine besondere Kammer, nämlich die Stubenkammer, auch backen und waschen lassen, ohne etwas von Holz und Licht beizuschaffen. Weiteres behält sich der Vater vor, einen Platz in der Scheuer zu seinen Früchten aufzuheben, auch in den Stall ein Stück Vieh zu stellen.
Weilen aber noch eine ledige Tochter mit Namen Juliana vorhanden ist, so wird auch ihr Platz im Haus gemacht und wird derselben eine besondere Kammer vorbehalten.
Mathias Munding hat nach 20 Jahren Arbeit als Taglöhner seine ökonomische Lage etwas verbessert. Er hat einen weiteren Acker im Breitenbergösch mit 5/8 Morgen, ein Krautland in den Laugelen und eine Wiese mit 1 6/8 Morgen erwerben können. Das Entscheidende ist allerdings, dass er jetzt ein eigenes Wohnhaus mit Scheuer hat. Zu dieser Hofstelle G 84 b gehört eine halbe Gemeindegerechtigkeit, ein kleiner Hofraum, ein Gras- und Gemüsegarten.
Ganz andere Verhältnisse findet man bei seinem Bruder, dem Hoferben.
Joh. Baptist, der als Erstgeborener die elterliche Hofstelle bewirtschaftete, gab als Vermögenswerte an:
Wohnhaus, Schätzwert 200 Gulden
Scheuer, Schätzwert 275 Gulden
1/2 Holzteil 16 Gulden
Lehenäcker 27 Jauchert, Schätzwert 494 Gulden
Lehenwiesen 7 Mannsmad , Schätzwert 137 Gulden
1 Krautgarten, Schätzwert 5 Gulden
Eigenäcker 1/2 Jauchert, Klasse 1, Schätzwert 24 Gulden
1 Gemeindegerechtigkeit, Schätzwert 20 Gulden
Mit der zu versteuernden Summe von 1171 Gulden nimmt er den Rang 11 von 171 Personen ein, die als Steuerpflichtige in Unlingen erfasst wurden.
Seine erste Frau stirbt schon im Jahr 1814. Das jüngste von 5 Kindern ist erst 1 Jahr alt. Er heiratet im Jahr darauf Maria Anna Munding. 5 Jahre später stirbt auch Joh. Baptist Munding.
Zur stattlichen Hofstelle gehören inzwischen den Kindern laut Güterbuch vom Jahr 1826 eine Wirtschaftsfläche von 54 Morgen. Damit nimmt der Hof den 9. Rang ein.
Als der Bauer Joh. Baptist 1820 stirbt, sind seine drei Töchter 15, 11 und 9 Jahre alt. Ein Junge ist schon als Kleinkind verstorben, das jüngste Kind, ein Junge, ist 7 Jahre alt.
Im Jahr 1830 heiratet die älteste Tochter Antonia als Übernehmerin des Hofes standesgemäß den Sohn eines Großbauers, Simon Schönle. Simon ist der erste Sohn des reichen Kellhofbauern Konrad Schönle.
Solche Eheschließungen sind typisch für die damalige bäuerliche Welt.
Großbauernsohn Joh. Baptist übernimmt als Erstgeborener die väterliche Hofstelle und schließt die Ehe mit Anna Maria Schwarz, der Tochter eines Schmieds mit erfolgreichem Gewerbebetrieb und einem ordentlichen Seldnerhof.
Mathias ist zwar Sohn eines Großbauern, muss jedoch als Zweitgeborener als Taglöhner sein Auskommen finden. Er heiratet entsprechend seines Standes Theresia Moosbrugger, die Tochter eines Metzgers mit minimalem Grundbesitz.
Auch die Taglöhnersöhne Balthasar (geb. 1809) und Johann (geb. 1822) heiraten ihrerseits gemäß ihres Standes, jedoch keine Hoferbin, keine Tochter eines Großbauern, die viel Heiratsgut mit in die Ehe bringen könnte. Ein Aufstieg blieb ihnen auf diesem Weg verwehrt.
In seinem Ehe- und Erbvertrag vom 3. Februar 1848, ein halbes Jahr nach der Eheschließung mit der Schlossertochter Theresia Blumenthal notariell abgeschlossen, wird ein Heiratsgut von seinen Eltern in Höhe von 680 Gulden festgelegt. Seine Ehefrau bringt ein Heiratsgut von 700 Gulden mit. Beide zusammen somit 1380 Gulden.
Was der Vater Mathias Munding seinem Sohn Johann auch noch vermacht hat, ist sein Anwesen G 84b im Anschlag von 2574 Gulden, auf welchem aber allerdings 2574 Gulden Schulden haften.
Ergänzung: Heiraten um 1800
Pfarrer Konrad Schmid stellte 1826 eine Liste aller damals bestehenden Ehen zusammen. Es waren 149 Ehepaare. In dieser Eheliste kann man nach den Ehepaaren aus der Schicht der vermögenden Bauern, Wirte, Müller und Schmiede suchen, die in Unlingen einen großen Grundbesitz und ein hohes Steueraufkommen haben.
Zu dieser obersten ökonomischen Schicht gehören in Unlingen 24 Hofstellen.
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12 Ehepaare gibt es in der Liste der 1826 bestehenden Ehen, die zu dieser Schicht gehören. Bei keiner dieser Ehen aus reichem Haus gibt es den Fall, dass ein Bauer von einem großen Hof eine Frau geheiratet hat, die von einer kleinen Hofstelle stammt.
Sie alle heirateten standesgemäß.
